Die Kladde – Fund und Form

Kladdendeckel – Screenshot aus dem Video [5-01]
Kernstück der ganzen vermeintlichen Lösung im Sechsfachmord von Hinterkaifeck 1922 könnte eine Papierkladde sein, die Lebenserinnerungen eines Ernst Friedrich Mehnert beinhaltet.

Frank Helmut Noack soll bereits Mitte der 90er an diese Kladde gekommen sein und bis dahin zurück lassen sich auch seine Bemühungen nachweisen, die enthaltenen Informationen „an den Mann zu bringen“.

Wir von hinterkaifeck.net kamen mit dieser Geschichte 2009 in Berührung, als Noack sich nach der Ausstrahlung einer ZDF-Dokumentation über den Fall an einen der dort gezeigten Interviewpartner wandte.

Rund um die Kladde gab es von Anfang an viele Fragen und bis vor kurzem ist jeder Versuch gescheitert, einen Blick darauf werfen zu können.

Das hat sich geändert, seit Noack zusammen mit dem Journalisten Matthias Petry im Donaukurier zum 100. Jahrestag der Morde begonnen hat, auszugsweise die Kladde zu zeigen. Sämtliche veröffentlichten Quellen haben wir hier zusammengetragen.

 

Auf dieser Seite soll nun die Kladde vorgestellt werden, was wir darüber wissen.

Fund

Der Fund war ein abenteuerlicher Zufall, der in mehreren Versionen erzählt wird.

Screenshot Kladde aus dem Video [5-01]

Wie es zum Fund der Kladde kam, darüber gibt es zwei Versionen, über die als Gegenstand weiterer Überprüfungen hier berichtet wird. Einmal sollte ein alter Schreibtisch erstanden werden, in dessen Geheimfach dann die Kladde auftauchte, ein anderes Mal war die Kladde ein „Beifang“ zu dem eigentlichen Ziel der Suche beim Militariahändler: einer Waffe. Die Brisanz der Kladde soll sich erst später erschlossen haben. Die Evolution der Geschichte rund um den Fund wird hier vorgestellt.

Form

Erstmals können wir die Kladde in Augenschein nehmen und ohne, dass die Erbringer dazu genauere Informationen liefern, einige Details ausmachen:

Die genauen Maße der Kladde sind nicht bekannt, doch in der Video-Interview-Serie BY-TV (05) sieht man die Kladde mehrmals und dass es sich um Din A5 zu handeln scheint.

Die Reste des Klebers auf dem Deckel sind erkennbar, die Beschriftung wurde vom Besitzer der Kladde abgekratzt [5-01]. Auf dem Kleber soll „Für meine Kinder“ in lateinischer Schrift (mit seinem Namen) gestanden haben. Schon hier ergibt sich ein Fragezeichen, denn die schadhafte Stelle auf dem Aufkleber ist eigentlich viel zu klein für den angegebenen Text.

Umfang

Insgesamt 30 Seiten, von denen sich vier (also 2 Blätter) mit den Vorgängen auf Hinterkaifeck beschäftigen, so die ursprüngliche Angabe  [1]

Die Kladde selbst hat deutlich mehr als 30 Seiten Umfang, was man beim langsamen Umblättern in den Videos unschwer erkennen kann.

Lineatur

Das Papier ist kariert, den Maßen nach zu urteilen entspricht die Kästchenlänge der in Deutschland üblichen Einheit von 0,5cm.

Die Karo-Einteilung entspricht nicht der typisch französischen Seyès-Lineatur.

Verwendete Schrift

Ein weiteres Fragezeichen ist die Beschriftung der einzelnen Seiten in der Sütterlinschrift, wobei laut Noack auf der ersten -von ihm mittlerweile herausgetrennten Seite- die lateinische Ausgangsschrift angewandt worden sein soll [5-01].

Die Sütterlinschrift ist eine im Jahr 1911 -und damit erst nach Ernst Friedrich Mehnerts Reifeprüfung- im Auftrag des preußischen Kultur- und Schulministeriums von Ludwig Sütterlin entwickelte Ausgangsschrift. Die Schrift war als Ausgangsschrift für Schulanfänger gedacht, auf deren Grundlage sich bei den Schreibern später persönliche, individuelle und gefällige Erwachsenenhandschriften entwickeln sollten. Die Sütterlinschrift hatte bewusst nicht den Anspruch, eine besonders schöne und kunstvolle Schrift zu sein, sondern war als Anfängerschrift und als Schrift für die spezielle Anatomie der Kinderhand gedacht.  Die deutsche Sütterlinschrift wurde ab 1915 in Preußen eingeführt (Quelle: Wikipedia).

Auf den bisher gezeigten Seiten wurde innerhalb der Kladde nur mit Bleistift geschrieben. Radierungen oder Ausbesserungen waren nicht erkennbar.

Die Schrift ist regelmäßig und raumgreifend. Im Verlauf der beschrifteten Seiten ist eine Veränderung zu erkennen, die Noack mit einer zunehmenden Emotionalität des Verfassers erklärt.

Zustand

In den Videos wird an verschiedenen Stellen durch die Kladde geblättert, aus dieser zitiert, oder diese liegt einfach nur in Szene gesetzt im Bild. Die Seiten wirken weniger mitgenommen als der Einband, der bis auf die bereits erklärte Beschädigung am Deckblattaufkleber auch nicht übermäßig abgegriffen wirkt. Vom Bildschirm aus ist es nicht möglich, anhand der Vergilbung der einzelnen Seiten eine Einschätzung zum Alter der Kladde abzugeben.

Manipulationen durch Frank Helmut Noack

Noack gibt freimütig folgende eigene Veränderungen an der Originalkladde zu [Video 5-01, ab min 10:10] :

  1. Beschädigung des Aufklebers auf dem Kladden-Deckel zur Unkenntlichmachung des neuen Klarnamens des Verfassers.
  2. Heraustrennen von 2 Seiten zu Beginn der Kladde (3. und 4. Blatt), die in lateinischer Schrift Informationen enthalten haben sollen, mit denen man die Person Mehnerts bzw. seine elsässische Familie identifizieren könnte.

 

Der Mythos eines ungeklärten Sechsfachmordes